Interview mit Julia Deniz Güngür

Interview mit Deniz Julia Güngör

Deniz Julia Güngör, Bild © SanatSever, Franziska Sevik

Im Interview mit Deniz Julia Güngör,

Gründerin der Sprachschule “Feinsprecher” aus Berlin

“Nicht jede Sprache erzählt das Gleiche”

SanatSever

Deniz, du gibst seit vielen Jahren Sprachunterricht. Obwohl immer mehr Menschen an der türkischen Sprache interessiert sind, sind Deutsch, Englisch, Französisch und Chinesisch nach wie vor die gängigen Sprachen, die man erlernen möchte. Oder glaubst du, dass Türkisch sein Imageproblem mittlerweile hinter sich gelassen hat?

Ich glaube, dass viele Menschen gegenüber der türkischen Sprache mittlerweile offener geworden sind. Aber trotzdem finde ich es schwer zu sagen, ob es sein Imageproblem komplett hinter sich gelassen hat. Das würde ich nicht sagen. Auf jeden Fall ist Türkisch keine Prestigesprache, wie es zum Beispiel Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch sind. Wenn jemand eine von diesen Sprachen spricht, dann findet man das in der Regel positiv und toll. Wenn man allerdings jemanden auf Türkisch sprechen hört, kommt oftmals erst einmal die Frage auf; „Spricht er denn auch genug Deutsch?“.

Trotzdem glaube ich schon, das sich das Image der türkischen Sprache mittlerweile in den letzten Jahren zum Positiven verändert hat, allein schon aufgrund der vielen Akteure, die mittlerweile in Deutschland tätig geworden sind und die türkische Kultur auf eine moderne, neue und kreative Art und Weise vermitteln. Leider besitzt man noch immer zu wenig Kenntnisse über die türkische Sprache. Ich erlebe das sehr oft auch immer wieder in meinen Kursen. Es gibt sehr viele Teilnehmer, die aus den Kursen ganz begeistert gehen und eines der vielen „AHA“ Erlebnisse mitnehmen. Nicht nur, weil sie neue Wörter gelernt haben, sondern weil sie etwas Positives über die türkische Sprache erfahren konnten.

Glaubst du, dass uns jede Sprache dasselbe erzählt?

Nein, das glaube ich nicht. Einer meiner ehemaligen Professoren, leider ist er mittlerweile schon verstorben, hat einmal ein Seminar zu dem Thema „Sprache als Spiegel der Kultur“ gehalten. Vielleicht war dieses Seminar sogar einer der wichtigsten Beweggründe für mich, der mich dazu brachte, überhaupt „Feinsprecher“ zu gründen.  

Ich glaube nicht, dass jede Sprache das Gleiche erzählt. Jede Sprache erzählt die Geschichte des Landes, wo sie gesprochen wird oder hauptsächlich gesprochen wird. Man kann das auch an der Sprache selbst erkennen, einfach daran, wie viele Lehn- und Fremdwörter es in einer Sprache gibt und aus welchen Sprachen diese ursprünglich stammen. Dabei erfährt man viel über Kulturkontakte, über ökonomische und politische Verhältnisse und ganz viel über die Menschen und ihre Traditionen, die natürlich in jeder Kultur anders sind. Auf jeden Fall gibt es aber auch Überschneidungen.

"Nicht jede Sprache erzählt das Gleiche", Deniz Julia Güngör

“Nicht jede Sprache erzählt das Gleiche”, Deniz Julia Güngör, Bild © SanatSever, Franziska Sevik

Ich empfinde Türkisch selbst oft als eine sehr emotionale und ausdrucksvolle Sprache. Zumindest mehr als Deutsch. Ist das meine eigene Empfindung, gibst du mir da Recht? 

Ich finde tatsächlich auch, dass die türkische Sprache sehr emotional ist. Aber ich entdecke auch im Deutschen immer mehr, vielleicht nicht emotionale Ausdrücke, aber auf jeden Fall viele Bilder, die sprachlich ausgedrückt werden. 

Damit meine ich zum Beispiel Redewendungen und Metaphern, die sehr viel im Deutschen benutzt werden. Deshalb greife ich diese, in einem Konzept, welches ich für den deutsch- und türkischen Konversationskurs nutze, gerne mit auf. Ursprünglich hatte ich damals mit einem Deutsch-Konversationskurs begonnen, der auf Redewendungen und Metaphern basierte, weil eben gerade diese ein wichtiger Bestandteil der deutschen Sprache sind. Ich finde, sie gestalten die Sprache so auch etwas unbürokratischer oder..  ja, in gewisser Weise auch etwas emotionaler. Es macht sie auf alle Fälle etwas bildlicher und anschaulicher. Trotzdem bleibe ich bei meiner Aussage, dass die türkische Sprache noch etwas emotionaler ist. Auf jeden Fall.  (Deniz lacht… )

Du bietest auch Sprachkurse mit integrierten Kochkursen an. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Das hängt ein bisschen vom Format des Unterrichtes ab, wir bieten davon verschiedene an. In meinen 1 Tages-Workshops macht es tatsächlich 50 % des Tages aus. Das heißt, der Unterricht beginnt mit einem Sprachteil von etwa 3 Stunden. Danach besuchen wir gemeinsam einen umliegenden Supermarkt oder einen türkischen Wochenmarkt. Dort sehen wir uns an, was es dort genau zu kaufen gibt und was man mit diesen Sachen zubereiten kann. Danach wird gemeinsam gekocht. Das nimmt noch einmal so ca. 3 Stunden ein. 

In den anderen Kursen ist die Gestaltung etwas anders. Die regulären Abendkurse dauern 6 Wochen. Gekocht wird hier in diesen Kursen nur einmal zum Abschluss, zur kulinarischen Abrundung quasi. 

Vor ein paar Jahren war das noch etwas anders gestaltet. Allerdings fand ich mit der Zeit, dass die Sprache etwas zu kurz kommt und so habe ich das Konzept etwas angepasst. Schließlich ist „Feinsprecher“ eine Sprachschule. Mir ist es sehr wichtig, dass ich in erster Linie die Sprache vermittele.

Natürlich kann man dies über das Kochen tun, aber nicht ausschließlich. Wir sprechen ja nicht nur über Themen wie Essen und Esskultur, sondern auch um allgemeine Themen. Deshalb ist das Kochen noch einmal ein schöner Abschluss zum Kurs-Ende. Eine handlungsorientierte Komponente, so zu sagen.  

Zu guter Letzt gibt es noch den Konversationskurs. Es ist ein besonderes Format, welches wir neuerdings auch für Türkisch anbieten. Gekocht wird in diesem Kurs tatsächlich 2x. Jedes Kursmodul besteht aus zwei Lektionen, auf jeweils 3 Wochen aufgeteilt und nach jeder Lektion beenden wir diese mit einem Koch-Teil. Dieser unterscheidet sich wesentlich zu den Abendkursen; hier geht es hauptsächlich um kommunikative und diskursive Mittel, weniger um Grammatik. 

Welche Aspekte sind dir in diesen Workshop-Konzepten am wichtigsten? Das Anwenden der bereits erlernten Sprache, das Erlernen neuer Begriffe und Wörter oder das Erlernen eines kulinarischen Gerichtes?

Die Sprache liegt bei mir ganz klar hauptsächlich im Vordergrund. Die Esskultur wird nur mit einbezogen, das Thema Esskultur ist uns allen ja sehr nah. Man kann ganz gut grammatikalische oder allgemein sprachliche Phänomene darüber vermitteln. Aber es ist nicht unser Hauptthema. Das möchte ich gerne auch noch einmal betonen. 

SanatSever

Im Gespräch mit Deniz Julia Güngör, Bild © SanatSever, Franziska Sevik

Kann man sagen, dass die Mischung von Lernen, Anwendung und Gebrauch der Sprache gleichzeitig auch das Vermitteln der türkischen Mentalität einbezieht?

Ja, auf jeden Fall!! Zum Beispiel; das Beispiel mit „Kolay gelsin“. (übersetzt; „es soll leicht fallen“.. Anmerkung der Redaktion.) Das spiegelt total die Mentalität wieder. Mir geht es selbst auch so, dass ich regelmäßig „Kolay gelsin“ sagen möchte. Aber ein Deutscher würde das wahrscheinlich nicht verstehen. Eine Schülerin von mir hatte einmal die positive Erfahrung gemacht, als sie im Ausland „Kolay gelsin“ gesagt hatte, glaubte man sofort sie sei eine Türkin. Und das, obwohl sie noch in meinem A1 Kurs saß. Aber mit den beiden Wörtern war dann einfach alles klar. “Mit dir können wir Türkisch sprechen.” (Deniz lacht.. )

Oder auch durch die Küche; zum Beispiel die Sache mit dem Tee…Also, wir trinken eigentlich immer türkischen Tee im Kurs. So haben die Kursteilnehmer gleich am Anfang schon gelernt, wie man sagt, wie man seinen Tee gerne hätte. Ob stark oder nicht so stark. Das hat einer der Teilnehmer, der mit einer türkischen Frau verheiratet ist, später dann bei seiner Familie im Türkei-Urlaub ausprobiert und die war total begeistert. Viel mehr konnte er noch nicht, aber das hat er gut hinbekommen und hatte gleich, “einen Stein im Brett”, wie man so schön sagt. So eine Situation geht natürlich direkt ins Herz…das ist toll.

Wie viele Brote müsste man mit dir backen, um sich beim Frühstück Türkisch unterhalten zu können?

Leider bin ich bei meinem Brotkonsum überhaupt nicht Türkisch. Als ich damals in der Türkei lebte, habe ich viel Weißbrot konsumiert, weil ich es liebe, wenn es frisch aus dem Ofen kommt, ich liebe den Duft einfach. Aber leider bekommt man sehr schnell wieder Hunger und es ist auf Dauer leider auch nicht gesund. Ich bin auch mit Vollkornbrot aufgewachsen und so fehlte es mir dann schon sehr. Alman Ekmeği (übersetzt: Grau- ,Schwarz- oder Vollkornbrot) sag ich da nur. (Deniz lacht… )  

Später habe ich in Istanbul eine österreichische Bäckerei gefunden und mir dann dort immer öfters Vollkornbrot gekauft. Zugegeben, hier in Deutschland fehlt mir das Brot umgekehrt schon manchmal, die Mischung macht`s einfach. 

Also ich würde sagen, wir backen zusammen ein selbstgebackenes Roggensauerteigbrot und ein schönes türkisches Weißbrot. Dann können wir gemütlich frühstücken. Deutsch-Türkisch frühstücken. 

Mehr Wissenswertes über Deniz Julia Güngör

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.