9 Fragen an Levent Kesik

9 Fragen an Levent Kesik

Levent Kesik, Bild © Levent Kesik

Der Autor spricht über das Schreiben, das Verlegen und über Superhelden…

9 Fragen an Levent Kesik

SanatSever

Levent, du bist hauptberuflich als Ingenieur tätig. Und doch hast du schon etliche Texte und Bücher veröffentlicht. Was reizt dich am Schreiben und wie bist du dazu gekommen?

Du meinst neben dem Befriedigen des Egos und so… (Levent schmunzelt)… Huch, habe ich das jetzt echt laut gedacht? 

Der Reiz liegt zumeist in der Beobachtung der Reaktionen, die meine Texte hervorrufen. Wenn Leser, Zuhörer oder Zuschauer lachen, lächeln oder nachdenklich werden, bei dem, was ich ihnen als geistige Nahrung anbiete, erfüllt es mich mit Freude und Genugtuung. Manchmal in Moll und sehr oft in Dur kommen meine Gedichte, Erzählungen und Geschichten daher. Diese spiegeln denke ich mein Ich, das, wie bei jedem anderen auch, komplex und mehrdimensional ist. 

Trotz und nicht wegen meines Berufes habe ich eine sehr starke musische Seite, die sich den Raum zur Entfaltung in allen Aspekten des Lebens erkämpft. Diesen Raum fand ich sowohl beim Theaterspiel, aber vor allem auch beim Schreiben. Das Aufs-Papier-Bringen meiner Gedankenwelten begleitet mich seit meinen juvenilen Tagen. Auch wenn die Liebes-gedichte nicht den gewünschten Effekt gebracht haben… so wie Rosen die Klippen runterschmeißen… (lächelt schelmisch.. ) 

Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn die Tinte aus dem Füller aufs Papier kommt und dann auf der Bühne lebendig wird, wenn Welten und Figuren in den Köpfen der Leser entstehen, alle anders und doch alle mit demselben Ursprung. Wenn in verdichteter Form, das was mich bewegt, was mir wichtig ist, lyrisch auf den Zuhörer prallt, ihn umhaut und nachdenklich macht. Das sind die Momente, wo ich lebe! Was treibt einen zum Schreiben? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht!

Wie waren damals die ersten Reaktionen deiner Freunde und Bekannten auf die allererste Veröffentlichung?

Sie waren natürlich neidisch, diese Hammel! (…grinst schelmisch..) Scherz beiseite, meine Freunde finden es großartig. Sie waren zunächst verblüfft, weil sie nicht einschätzen konnten, worum es in der Erzählung geht. Sie wussten schon, dass ich mich gerne im Theater-Milieu herumtreibe, Stücke schreibe und inszeniere, Leute dazu bringe, diesen Geschichten auf der Bühne Leben einzuhauchen und einfach mitzumachen, doch mit einer „handfesten“ Version einer Erzählung waren schon alle überrascht.

Die ersten Leser, denen ich das Buch aufgedrängt habe (…lacht beim erzählen…) waren begeistert. Ich sage immer, dass sie das Buch nicht lesen brauchen, es reicht, wenn sie es kaufen! Den kommerziellen Erfolg kann ich so beschreiben: Ich kenne jeden Käufer persönlich!

Erzähl mir mehr von deinem Buch „Alis vs. Aliens“. Wieviel von Levent Kesik steckt in den Charakteren der Erzählung?

Die Geschichte handelt von zwei vermeintlichen Verlierern, die im Laufe der Geschichte zu Helden werden. Durch einen irren Zufall und durch die Verkettung von mehreren Pechsträhnen werden sie unfreiwillig zu Turkonauten (türkische Weltraumfahrer). Ich denke, dass viel von mir in den Figuren steckt. Sie verkörpern in dieser Parodie verschiedene Ebenen meiner Persönlichkeit. Sei es Barbaros Ali, der wirklich ein liebenswerter Fantast und Träumer ist oder Ali Raif, der etwas „Vernünftigere“ in diesem Duo aus dem Ruhrpott, in beiden Charakteren erkenne ich mich wieder.

Nova, die Außerirdische mit dem universellen Gerechtigkeitssinn, transportiert natürlich meine Moral und Wertevorstellung in die Erzählung. Auch in den Nebenfiguren, wie im faulen Roboter oder im verzweifelten Missionschef könnte man mich, wenn man genauer hinschaut, erkennen. 

Warum eine Science-Fiction-Story? 

Bei „Alis vs. Aliens“ handelt es sich um eine türkisch-deutsche Parodie. Ich bin seit meiner Kindheit ein Science-Fiction-Fan. Sei es Captain Future oder Raumbasis Alpha Eins, ich habe alles aufgesogen. Ich würde sagen, dass es in dieser Story eine schicksalshafte Begegnung von Science-Fiction und Parodie war. Beide Genres funktionieren in dieser Erzählung gut und auch nur miteinander. 

Hier ein Ausschnitt aus einer kleinen Geschichte, der die Frage noch besser beantworten kann; Der einsame selbstlose Held, der das Gute verkörperte, war meine Identifikationsfigur. Ich war Superman, zumindest wollte ich es werden, wenn ich mal groß wäre.

Das ging so weit, dass ich in der dritten Klasse einer Freundin auf dem Schulfest meine wahre Identität verriet; „Ich … Ich verrate dir ein Geheimnis! Du darfst es aber niemandem erzählen …! Wenn ich groß bin, werde ich Superman!“, mit der Bitte, dieses Geheimnis natürlich für immer für sich zu behalten, weil das halt bei Superhelden immer so sein muss. Und sie (Semra K.) daraufhin hoch und heilig schwor, dies auch so zu machen. „Ich schwöre, ich werde es niemandem erzählen!“, antwortete sie. Da bisher keiner meine wahre Identität aufgedeckt hat, gehe ich davon aus, dass sie sich immer noch an unsere Abmachung hält. (Levent zwinkert)

Das Buch wurde im Selbstverlag veröffentlicht. Wie schwierig oder einfach war das für dich und welche Hürden musstest du nehmen?

Ja, das stimmt, ich habe keinen Verlag gefunden. Ich habe mich aber auch nicht sehr darum bemüht. Die Geschichte im Giftschrank meiner Biografie vermodern lassen, wollte ich aber auch nicht, daher habe ich den Weg des Selbstverlags gewählt. Er ist wesentlich günstiger als ein Verlag, den man nicht nur mit der Story, sondern auch mit finanzieller Vorleistung überzeugen muss. Das war dann doch ein ungangbarer Pfad für mich, nicht nur finanziell.

Der Nachteil ist natürlich, dass man die Vertriebskanäle, die ein professioneller und seriöser Verlag hat, dann eben nicht zur Verfügung hat. Die Gestaltung des Buchcovers, die Auswahl der Schriftart und -größe, die Kapitel-Einteilung waren so die gängigen Hürden, mit denen man sich herumschlägt oder besser beschäftigt. Technische Hürden sind das geringste Problem. Die hat man dann irgendwann im Griff. Schwieriger ist das Lektorat! Da muss man Glück haben und das hatte ich, weil eine liebe Bekannte, die Ute Gleba, dies für mich hervorragend gemacht hat. Mein Manuskript kam gefühlt komplett ROT zurück.

Das war mir schon sehr peinlich, wo ich den Text doch im Vorfeld 100mal selbst korrekturgelesen hatte. Sie hat mir gesagt, dass sie das schon kennt und ich mich davon nicht entmutigen lassen sollte. 

Das klingt spannend. Das Buch ist gleich in drei Sprachen erschienen. Wie wurde es von den Menschen aus den drei unterschiedlichen Kulturkreisen aufgenommen? 

Mir war es wichtig, dass neben meiner Schriftsprache Deutsch, die Erzählung auch in Türkisch erscheint. Ich wollte, ähnlich wie Barbaros Ali, eine so große Klientel wie möglich erreichen. 

Das bot sich halt an, da die Protagonisten auch aus einem deutschen wie türkischen Umfeld stammen. Die englische Brexit-Version habe ich veröffentlicht, weil ich einen Lehrbeauftragten aus Vancouver in Kanada und einen Galeristen aus Bayeux in Frankreich kennengelernt habe. Der Lehrbeauf-tragte hatte ein Essay über einen Comic (Superman vs. Muhamad Ali) geschrieben und Parallelen zur griechischen Mythologie aufgezeigt. Ich habe ihn dann kontaktiert und er war schon verblüfft, dass jemand aus Deutschland sein Essay gelesen hat.

Ich habe ihm die Geschichte erzählt, dass ich als Kind meinen Vater überredet hatte, mir die 4,80 DM zu geben, damit ich mir genau diesen Comic kaufen konnte. Ich habe ihm natürlich auch von „Alis vs. Aliens“ erzählt und dass ich auch Parallelen zu seiner Arbeit sehe, was er witzig fand und so habe ich ihm als Anerkennung seiner Arbeit, mein Buch nach Kanada geschickt. Er kann kein Deutsch, also habe ich ihm versprochen, dass er auch eine englische Version bekommt, wenn ich es dann mal übersetzt habe. 

Der Galerist in Bayeux hat mir mal aus einer misslichen Lage geholfen und ich durfte seine Toilette benutzen. Er kam aus England und lebt seit Jahren in der Normandie. Weil er selbstlos nett war, habe ich auch ihm versprochen, ihm mein Buch zukommen zu lassen, wenn es auf Englisch erscheint.

Ich denke, wenn Menschen gerne lesen und gerne in Romanwelten eintauchen, ist es egal, wo auf diesem Planeten sie sich heimisch fühlen, sie werden es ähnlich aufnehmen. Ich habe von Lesern aller drei Sprach-Versionen auch ähnliches Feedback bekommen. Ich muss hier aber nochmals erwähnen, ich kenne jeden Käufer persönlich! (lacht)

Glaubst du an einen kulturellen Unterschied in Bezug auf Verständnis von Literatur? 

Schwierige Frage! Eigentlich nicht. Literatur ist vielfältig. Sie kann Wege zeigen, Alternativen entwickeln, zum Nachdenken anregen oder schlicht unterhalten. Einen kulturellen Unterschied kann ich nicht feststellen. Das ist wie Fußball. Man kann überall auf der Welt mit Leuten kicken, auch wenn man nicht die Sprache spricht oder irgendetwas über die Mitspieler weiß. Literatur ist universell! Sicher ist, dass die individuellen Biografien der Leserschaft, das Interesse an Themen bestimmen.

Die Beschäftigung mit Umwelt- und Zukunftsthemen wird nicht so wichtig sein, wenn man Abseits der Mehrheitsgesellschaft, ausgeschlossen von Möglichkeiten und Chancengleichheit, lebt. Da hat man andere Prioritäten. Diese existenziellen Fragen spielen sich dann auf anderen Ebenen ab. Dann zieht es einen doch hin zu Migrantenthemen.

Auch bei mir kann ich dies beobachten. In vielen meinen Gedichten ist das Thema Rassismus vorhanden. Wenn man über den eigenen Dunst- und Wirkungskreis hinaus schaut, sieht man aber Zusammenhänge. Fluchtursachen und Umweltthemen bekommen dann eine andere Bedeutung.

Du wirst immer öfter zu Lesungen eingeladen. Diese sind sowohl in deutscher als auch in türkischer Sprache. Die Corona Pandemie ist jedoch noch immer nicht abgeklungen, das Reisen ist derzeit immer noch etwas schwer, öffentliche Veranstaltungen noch immer rar. Welche Alternativen gibt es für dich, deine Veröffentlichungen vorzustellen? 

Die jetzige Zeit ist für Autoren, Künstler und Veranstalter wie der Einschlag des Asteroiden für die Dinosaurier. Kunst ist auf Publikum angewiesen, sie braucht die unmittelbare Rückmeldung wie die Luft zum Atmen. Es gibt Formate, wie Online-Lesungen, die aber schwierig an den Leser und Zuhörer zu bringen sind. Da ist man froh, wenn das Deutsch-Türkische Forum aus Stuttgart oder das Düsseldorfer Schauspielhaus einem die Möglichkeiten geben, einem kleinen und erlesenen Kreis dann seine Werke vorzutragen.

Ich hadere nicht…vielleicht nur ein bisschen.. (lächelt). Ich freue mich, wenn es wieder losgeht. Ansonsten heißt es Soziale Medien, Klinkenputzen, recherchieren und versuchen Multiplikatoren zu finden, die einem Verknüpfungen herstellen. 

Findest du selbst Zeit zum Lesen und was ist dein eigenes Lieblingsbuch?

Auch hier muss ich mir die Zeit erkämpfen! Ich muss große Schlachten (mit den berechtigten Aufmerksamkeitsbedürfnissen der Familie) schlagen, um mir meine Freiräume zu schaffen. Die letzten Bücher, die ich gelesen habe, waren “Eine türkische Geschichte” von Abdulvahap Cilhüseyin, “Stambul” von Navid Linnemann und “Şimdi” es bedeutet übersetzt “Jetzt” und ist von einem Autorenkollektiv. Als Lieblingsbücher würde ich spontan “Per Anhalter” durch die Galaxis von Douglas Adams, “Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar…” von Cathcart und Klein und “The Far Side Gallery” von Gary Larson nennen.


Mehr Informationen zum Buch “Alis vs. Aliens

Das Buch Alis vs. Aliens ist im SanatSever Kunst & Kultur Shop erhältlich.

Mehr Informationen und Wissenswertes über den Autoren Levent Kesik

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