Ein Besuch bei Ertuğrul und Karina Ersoy in ihrem Restaurant “Saigon and more…”
Integration geht durch den Magen
Vor ein paar Tagen, erzählte mir einer meiner Freunde von seinem Abend zuvor, einem Besuch mit seiner Frau in einem vietnamesischen Restaurant in Berlin-Schöneberg. Er schmückte seinen Bericht so aus, dass ich danach meine Neugier nicht mehr bändigen konnte und so beschloss ich, mir dieses Restaurant einmal selber anzusehen.
Das Restaurant Saigon and more, von außen eher etwas klein und unauffällig, war leider noch geschlossen. Enttäuscht wollte ich schon wieder gehen, da sah ich leichtes Licht durchs Fenster dringen. Ich ging zum Eingang und da die Tür nur angelehnt war, schob ich den roten schweren Vorhang dahinter beiseite und trat ein.
Auf mein kleinlautes „Hallo“ hin, blickte ein Kopf strahlend um die Ecke aus der Küche. Schon war er wieder verschwunden, aber seine Worte „Merhaba, komm rein“ hallten laut und freundlich. Überrascht über die Begrüßung auf Türkisch-Deutsch, trat ich in den kleinen, aber gemütlich eingerichteten Raum. Obwohl noch geschlossen, bot man mir freundlich einen Kaffee an, den ich dankend annahm. Dieser wurde serviert zusammen mit dem hauseigenen „Ertuğrul” Saft und mit meiner Frage, warum der Saft eines vietnamesischen Restaurants einen türkischen Namen trägt, befand ich mich schon mitten in der Konversation mit dem Inhaber und seiner Frau.
Wie sich herausstellte, trug nicht nur der hauseigene Saft des Restaurants den Namen „Ertuğrul“ sondern auch sein türkischer, aus Kappadokien stammender Inhaber und Betreiber. Seine Ehefrau Karina, gebürtige Mexikanerin, kümmert sich um den Verkauf und den Service.
Das Paar erzählte mir von Ihren ersten schwierigen Jahren und Erlebnissen in Berlin, welche sie, gleichwohl der unterschiedlichen Herkunft und Kulturen doch beide kamen, sie letztendlich zusammenführte und durch gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse wachsen ließ. In schwierigen Zeiten hält man sich an gute Freunde und Bekannte, die einen aufmuntern und aufbauen.
So auch der damals junge Elektriker Ertuğrul Ersoy und als seine Freunde in finanzielle Not gerieten, war es keineswegs eine Frage der Möglichkeiten, sondern eher eine Frage der Ehre, seine Freunde zu unterstützen. So wurde vor er, vor 17 Jahren, kurzer Hand Teilhaber des beliebten vietnamesischen Restaurants Saigon and more in Berlin – Schöneberg. Das er bis dato eher wenige Kenntnisse aus der Gastronomie und noch weniger über die vietnamesische Küche mitbrachte, war vorerst kein größeres Hindernis, sondern eher eine Herausforderung, die er sich ohne längere Überlegung stellen wollte.
Dies tat er mit übermäßigem Glauben und Vertrauen an sich, seine Mitarbeiter und Gäste. Diese Rechnung schien in all den kommenden Jahren gut aufgegangen zu sein, die ausliegenden 59 dicken Gästebücher mit all den vielen Danksagungen sprechen zumindest für sich. Mittlerweile füllte sich das Restaurant mit den ersten Gästen und in der Küche fingen die Köche an zu brutzeln. Es roch nach frischen Kräutern, Salaten und Gewürzen. Ertuğrul Ersoy begrüßte jeden einzelnen Gast persönlich und verwies auf die besten Gerichte der Speisekarte. Das er jeden dabei duzte schien niemanden zu stören, im Gegenteil, jeder war auf merkwürdige Weise sofort mit einem Lächeln geschmückt.
Man spürt die Leidenschaft zu seinem Restaurant, welches Ertugrul Ersoy mittlerweile nun seid über 10 Jahren, alleine mit seiner Ehefrau, führt.Unübersehbar ist seine Frau dabei der ruhigere Pol der beiden, die den temperamentvollen und sprachgewandten Mann unterstützt.
Auf der Speisekarte von Saigon and more findet man zwar kein Glutamat und Schwein, dafür aber ausreichend Gerichte mit Ente, Huhn, Rind, Tofu oder Fisch. Alles zu außergewöhnlich günstigen Preisen, versteht sich. Wenn es nicht gefällt, erhält man eine Alternative, welche man sich eigens zusammensetzen kann. Der Kunde ist schließlich König, eine Devise, an die sich der Chef sehr zu halten scheint.
In Zeiten, wo alle immer wieder tadelnd über angeblich fehlende Integration sprechen, sollte man sich öfters mal die Zeit nehmen, um hinter die Fassaden zu blicken. Eventuell bekommt man dabei einen Blick auf die oftmals etwas versteckte, aber durchaus vorhandene Wirklichkeit. Wie zum Beispiel auf einen Türken und eine Mexikanerin, die erfolgreich eines der besten vietnamesischen Restaurants in Berlin führen und dabei unbemerkt mehr Verbindungen zwischen den Kulturen schaffen, als so manch ein anderer unter uns.