Ein Wochenende mit Doğan Akhanlı in Berlin
Es ist ein großer Segen, dass wir unsere Gedanken, Erfahrungen, Phantasien, Ängste und Freuden zum Ausdruck bringen können. Immer wieder gleicht es einem Wunder, wenn man erkennt, wie vielseitig und -schichtig dieser Ausdruck sein kann.
Nehmen wir zum Beispiel einmal das Wort, in seiner ganzen Bedeutung. Es folgt den Gedanken und erreicht uns durch seinen Klang oder über eine Schrift. Es kann inspirieren, lehren, leiten, erinnern, ängstigen, verletzen, aber auch erfreuen. Je nach Interpretation hinterlässt es unterschiedliche Spuren in uns, an denen wir wachsen.
Doğan Akhanlı hinterlässt mit seinen Worten in „Madonnas letzter Traum“ gleich sehr vielschichtige Spuren. In seinem Buch begeben wir uns gemeinsam mit ihm auf die Suche nach der Protagonistin Maria Puder, durch Deutschland, Polen, Rumänien und die Türkei. Akhanlı greift dafür die Novelle “Die Madonna im Pelzmantel”, des bekannten türkischen Dichters Sabahattin Ali von 1942 auf und schreibt sie neu. In ihr wird Ali nun selbst zur Romanfigur und Maria Puder, stirbt nicht wie ursprünglich nach der Geburt ihre Tochter, sondern wird Opfer der NS-Zeit. Und so tauchen wir in ein komplexes Spiel von Wahrheit und Fiktion und in die Geschichte Deutschlands, den dreißiger Jahren bis hin zur Zeit der Nationalsozialisten und ihrer Verbrechen.
Wahrlich keine leichte Kost.Aber dafür eine sehr Spannende und Interessante.
Dies fanden offensichtlich auch die Besucher der Lesungen, die in der letzten Woche in Berlin gleich zweifach stattfanden. Sowohl bei der Lesung im Lichtburgforum am Gesundbrunnencenter, (25.01) als auch bei der Lesung im Literaturhaus Berlin (29.01.) blieb nicht ein Platz leer. So unterschiedlich fesselnd die Interpretationen der einzelner Auszüge des Buches durch die Leser der beiden Lesungen auch vorgetragen wurde, (Tuncay Gary, (Schauspieler & Lyriker) im Lichtburgforum und Recai Hallaç (Regisseur und literarischer Übersetzer), im Literaturhaus Berlin), waren es doch die ausgewählten Worte des Schriftstellers und der mehr als gelungenen Übertragung des Buches ins Deutsche (Recai Hallaç) geschuldet, das man in beiden Lesungen die Luft in den Veranstaltungsorten hätte schneiden können, so gebannt lauschten alle Besucher.
Ein Roman, der bewegt und unglaublich viel Gesprächsstoff bietet.
So beschäftigte Prof. Dr. Michael Wolffsohn, (Historiker und Publizist) nach der Lesung im Lichtburgforum, in der anschließenden Gesprächsrunde mit Dr. Klaus Lederer, (Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa) und dem Schriftsteller Doğan Akhanlı, die aufkommende Frage; „Was verbindet Menschen in Deutschland? Vergangenheit? Gegenwart? Oder nichts?
Im Literaturhaus Berlin erfuhr man währenddessen von und mit Kader Konuk (Touristik Professorin & Wissenschaftlerin), während der Lesung viel Wissenswertes über den Künstler & Schriftsteller Doğan Akhanlı, den Übersetzer Recai Hallaç, als auch über die interessanten Beweg- und Hintergründe zur Entstehung des Buches.
Um sich mit diesen und anderen aufkommenden Gesprächsstoffen auseinander zu setzen zu können, bietet sich nicht nur das Lesen des Romanes, sondern auch ein Besuch, bei einer der zahlreichen noch kommenden Lesungen in Deutschland sehr gut an und ist äußerst empfehlenswert.