Im Gespräch mit Tuncay Gary, Bild © SanatSever, Franziska Sevik
Berliner Lernwerkstatt für Literatur & Theater in Berlin zeigt “Faust”
Im Gespräch mit Tuncay Gary über die Vorbereitungen und die Arbeit der Lernwerkstätten der Lichtburg-Stiftung
Als eines der großen Highlights des Sommerfestes 2020 der Lichtburg-Stiftung Berlin wird das Open Air Theater der Teilnehmer der Literatur- und Theaterwerkstatt mit der Vorstellung „Faust“ erwartet. Wir trafen Tuncay Gary und sprachen mit ihm über die Vorbereitungen und die Arbeit der beiden Lernwerkstätten der Lichtburg-Stiftung.
Aus allbekannten Gründen war das Jahr bisher nicht mit vielen öffentlichen Veranstaltungen gesegnet. Um so mehr freut es daher zu hören, dass viele Veranstalter bereits an neuen Konzepten und Wiederaufnahmen von Veranstaltungsreihen arbeiten.
Auch die Vorbereitungen für das diesjährige Sommerfest der Lichtburg-Stiftung am 22. August laufen bereits auf Hochtouren. Gerade in Zeiten der Pandemie möchte die Lichtburg Stiftung ein Zeichen setzen und darauf hinweisen, dass ein gemeinschaftliches Leben und Handeln für alle wichtig ist. Und so werden die Lernwerkstätten der Lichtburg-Stiftung im Mikrokosmos Gartenstadt Atlantic auch beim Sommerfest für geistige, kulturelle als auch kulinarische Genüsse sorgen.
Als eines der großen Highlights des Sommerfestes 2020 wird das Open Air Theater mit der Vorstellung „Faust“ erwartet. Darsteller des Stückes sind Kinder und Jugendliche von 9-16 Jahren, alle Teilnehmer der Literatur- und Theaterwerkstatt unter der Leitung des Schauspielers und Lyriker Tuncay Gary. Wir haben ihn getroffen und mit ihm über die Vorbereitungen und die Arbeit der Lernwerkstätten der Lichtburg-Stiftung gesprochen.
Herr Gary, in wenigen Tagen findet das Sommerfest 2020 mit der Vorstellung „Faust“ statt. Wie laufen die Vorbereitungen und Proben dafür?
Sehr gut! Nach einer langen schwierigen Zeit kommen wir endlich wieder mit Freunden der Lichtburg-Stiftung zusammen und die Kinder freuen sich sehr darauf, ihre Arbeit zeigen zu können. Bereits seit zwei Wochen proben wir draußen auf dem Hof, um ein Gespür für den Ort bekommen zu können. Die Kinder können so etwas mehr Erfahrung mit der Darstellung im Freien sammeln, eventuelle Hemmungen abbauen oder auch erfahren, wie es sich anfühlen könnte, wenn der Wind die eigene Stimme mitnimmt.
Alle Darsteller sind Teilnehmer der Literatur- und Theaterwerkstatt der Lichtburg-Stiftung, die Sie im Jahre 2015 gründeten und auch weiterhin leiten. Wie kam es damals zu der Gründung und was kann man sich unter diesen Lernwerkstätten genau vorstellen?
Mit meiner Partnerin traten wir damals mit dem Programm „Poetry & Dance by Rajaa and Tuncay“ bei verschiedenen Veranstaltungsorten auf und kamen diesbezüglich auch mit dem Lichtburg Forum in Gespräch. Der Projektkoordinator schätzte meine Arbeit als Künstler und schlug mir daher vor, hier eine Literatur- und Theaterwerkstatt zu gründen und zu leiten. Ich kannte den Veranstaltungsort Lichtburg-Forum bereits und auch die Arbeit der Stiftung, daher fand ich die Idee sehr spannend und interessant. Also haben wir, aus dem nichts diese Werkstätten erschaffen und über die Jahre aufgebaut.
Mittlerweile sind die Werkstätten unterteilt in verschiedene Zweige. Zum einem bieten wir vormittags Kooperationen und Workshops für Schulen und Kitas an. Diese Werkstätten finden in fest aufgeteilten Gruppen statt. Zum anderen bieten wir nachmittags offene Werkstätten, an denen alle Kinder und Jugendliche aus der Umgebung oder auch ganz Berlin teilnehmen können. Glücklicherweise verselbstständigte sich das Konzept schnell und sprach sich schnell herum, so dass wir schon kurz nach Aufnahme der Werkstätten viele Interessenten und zahlreiche feste Gruppen hatten. Das ist bis heute so geblieben.
Welche Altersgruppe haben die teilnehmenden Kinder der offenen Lernwerkstatt?
Das ist sehr unterschiedlich. Es verschiebt sich manchmal. Derzeit besteht die Gruppe aus Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 16 Jahren.
Warum Lernwerkstätten für Literatur & Theater?
Diese Werkstätten dienen dem Erlernen und näherbringen des Gebrauchs der Sprache. Literatur und Theater sind perfekt dafür geeignet, bestehen doch wichtige Verbindungsstellen. Wenn man einen Text, in welcher Form auch immer, auf der Bühne vor einem Publikum vorträgt, dann spricht man ihn ganz anders, als wenn man diesen zu Hause oder in den eigenen Wänden spricht oder liest. Man ist also vornherein gefordert, mit diesem Text ganz anders umzugehen. Diese Arbeit, welche Verstehen, Vermittlung und Darstellung beinhaltet, findet dann in der Probenarbeit größere Sicherheit und besseres Verständnis mit der Umwelt. Und dies wiederum hilft dann im weiteren Werdegang und der Entwicklung.
Gab es auch schon mal negative Erfahrungen, etwa das Kinder über andere lachten und sich lustig machen? Wie gehen Sie damit um?
Das gehört dazu, aber auch daraus lernen die Kinder. Ich muss allerdings kaum eingreifen, weil sie schnell lernen, ein Gespür für einander zu entwickeln. Sie lernen das positive Ansprechen und das Annehmen von Kritiken. Sie respektieren sich unter einander, mit all ihren Fehlern. Auf der Bühne kann so einiges mal schief gehen, aber Gehässigkeiten gab es bisher keine. Eher erlebe ich, dass schnell Hilfestellungen angeboten und Lösungen gefunden werden. In der Regel gebe ich nur die Impulse und die Kinder nehmen diese auf und sind dann oft selber die Regisseure bei der Arbeit.
Sie können sich also jederzeit selbst einbringen?
Selbstverständlich! Ich suche nur die Thematik aus und biete diese den Kindern an. Insbesondere in der Theaterarbeit ist es eher nötig, dass man lenkt und gut erkennen kann, in welche Richtung man gemeinsam gehen möchte. Jedes Kind oder jeder Jugendliche hat dabei das gleiche Mitspracherecht. Nur so können sie sich entwickeln, beginnen von sich aus Dinge zu hinterfragen, meine Arbeit eingeschlossen. Alle Szenen, die gespielt werden, werden kritisch beobachtet und beäugt. Tausend neue Ideen können dabei entstehen. Und das ist ganz wunderbar. Für mich kann es oft nichts Besseres geben, als die Regiearbeit still zu erleben, während die Kinder das Zepter selbst in die Hand nehmen.
Sie leiten auch die offene Literaturwerkstatt für Senioren. Wie anders ist die Arbeit im Vergleich zu der mit Kindern?
Auch die Arbeit mit Senioren ist ein breites Spektrum, einfach weil sie eine größere Lebenserfahrung haben. Gemeinsam versuchen wir diese zu kanalisieren. Eine sehr interessante Arbeit. Oft geschieht dies hier in einer Form eines Spieles.
Ich stelle in der Runde verschiedene Dichter oder Schriftsteller vor. Die Senioren nennen eine Zahl, ohne vorher in das Buch zu sehen. Dann wird das Buch genau auf dieser Seitenzahl aufgeschlagen und das Gedicht oder der Text laut gelesen. Das mündet dann oft in einer Gesprächsrunde, wir sprechen und diskutieren über diese Texte, lernen dabei den Dichter oder Schriftsteller aus allen möglichen Blickwinkeln kennen.
Aktuell haben wir ein gemeinsames Projekt in Kooperation mit der Kochwerkstatt, die einmal in der Woche kostenlos Essen für Bedürftige in Berlin Wedding verteilt. Wir schreiben dazu literarische Texte, solche wie Anekdoten, Rezepte und Anleitungen oder einfach alles, was sich um das Kochen bewegt. Diese Texte werden dann schön gebunden und zu den Essensportionen dazu mit ausgegeben. Also eine Hilfe für den Geist, als auch für den Magen. So produziert die Kochwerkstatt das Essen, die Literaturwerkstatt dazu die Texte.
Aber das sind nur einige interessante Mosaik-Steinchen hier im Getriebe des Mikrokosmos Gartenstadt. Wir freuen uns auf jeden einzelnen Besuch, ob bei dem Besuch in einer der zahlreichen Werkstätten, im Lichtburgforum oder vielleicht auch auf dem Sommerfest im Hof der Gartenstadt Atlantic.
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